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Ich habe verschiedene Tantra-Schulen und Seminare besucht, eine Jahresausbildung gemacht, ein Tantra-Teacher-Training absolviert, nannte mich selbst eine zeitlang Tantriker und habe schon die eine oder andere dieser sogenannten Kundalini-und Satori-Erfahrungen hinter mir. Das vorab gleich gesagt, denn es kann durchaus als Angriff auf eine heilige Kuh betrachtet werden, was ich schreibe.

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Was ist Tantra?

V

or Kurzen coachte ich ein Pärchen, das über fast zwei Jahrzehnte im tantrischen Bereich unterwegs war und die beiden haben sich immer mehr darauf versteift, im Tantra die Freiheit bzw. den Ausweg zu finden. Für sie wurde es mehr zum Dogma/zur Religion als zu einer Lebenseinstellung, für die sie sich entscheiden und die sie auch wieder ablegen können. Die beiden lieben sich und wollen auch ihr Leben zusammen verbringen und doch hat Tantra sie dazu gebracht, dass sie sich voneinander entfernten. Sie folgten einem starren Konstrukt und versuchten dem Bild gerecht zu werden, wie man sich verhält, wenn man Tantriker ist. Als Shakti und als Shiva muss ich ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, muss mich im Leben und im Alltag auf eine festgelegte Art und Weise verhalten/geben und wenn sie zusammen verschmelzen, muss es in einer bestimmten Form ablaufen – alles mit dem Ziel kein Ziel mehr zu verfolgen. In ihnen hat sich ein Bild festgefressen, wie es ist, wenn man wirklich eins ist, wie die Lebens-/Kundalini-Kraft sie in höhere Sphären befördert, wie die pure reine starke Weiblichkeit und Männlichkeit ist, sie sind der Meinung, dass sie durch Tantra im universellen Bewusstsein aufgehen und übersehen dabei vollkommen, dass sie mehr und mehr die Bodenhaftung verlieren und ihr Leben im Alltag auseinander fällt. Beeinflusst durch Tantra entstanden neue Glaubenssätze in ihnen, die genauso wirksam sind und auch schädlich wirken, wie die vorhergehenden Überzeugungen als „normale“ Frau und „normaler“ Mann.

Ihre Natürlichkeit und Leichtigkeit haben sie im Tantra verloren.

Es war anfangs schön, sie wollten beide mehr, es wurde zur Sucht und schließlich zum Zwang, ohne dass sie es bemerkten. Sie wurden „unecht“ – wie ich es bezeichne – und haben nur eine Maske bzw. Rolle mit einer anderen, scheinbar höherwertigeren ausgetauscht. Ich kenne das oben Geschriebene von mir selbst und weiß auch, wie schädlich es sein kann, darin klebenzubleiben. Bei mir selbst hat die Tantra-Zeit dazu geführt, dass mir mein Unterbewusstsein auch jetzt noch oft verbietet zu ejakulieren, weil es im tantrischen Bereich sehr verbreitet ist, dies zu unterdrücken. Eine schnelle Nummer ist oft verpönt, stattdessen legt man den Fokus mehr darauf, nicht zu hitzig zu werden und dafür über Stunden hinweg vereinigt zu sein. Das hat natürlich Vorteile, aber genauso viele Nachteile. Es sind zweifellos auch wunderschöne Erfahrungen, die man im Tantra und in einem sicheren, geschützten Rahmen machen kann und die den persönlichen Horizont erweitern, aber es sind eben nur persönliche Erfahrungen, diese müssen nicht zwangsläufig eine Allgemeingültigkeit besitzen und irgendwo sind auch in diesem erweiterten persönlichen Horizont wieder Grenzen gesetzt.

Ich selbst bin mittlerweile sehr kritisch mit dem, was unter dem Namen „Tantra“ alles gelehrt und verbreitet wird. Es schadet oftmals mehr, als es uns zu uns selbst bringt, es erzeugt Wünsche und Sehnsüchte in uns, die uns zwar dazu bringen uns zu bewegen und uns zu reflektieren/hinterfragen, die aber für viele auch momentan einfach nicht erreichbar sind und dadurch Zweifel, Falschheits-Gefühle und Lähmungen hervorrufen. Und einige Tantra-Gurus, die ich persönlich kenne, beschränken ihr Tantra ausschließlich auf die Sexualität, sie haben eine sehr narzisstische Ader und ein ausgesprochen starkes Super-Ego und können nicht wirklich mit den Verletzungen und Wunden ihrer Schüler/innen umgehen. Sie ziehen ihre Schülerinnen und Schüler aber an wie ein Magnet, indem sie ihnen die Schönheit des Lebens erzählen, wie es ist, wenn … Die andere Seite des alltäglichen Lebens wird bei diesem Neo-Tantra oft ausgeblendet oder gar als „Schlecht“ empfunden. Und das ist doch das Wichtigste: in Balance zu sein, nichts auszugrenzen. Es gibt das alltägliche und menschliche Leben genauso wie die himmlischen Gefühle/Erfahrungen, es gibt den hedonistischen Teil, der einfach nur v… ln will genauso, wie den mit allem verschmelzenden Teil. Es gibt die wunderschöne, weich fließende Frau, genauso wie die hässliche Hexe, es gibt den spirituellen Krieger, Magier, Liebhaber genauso wie den Unsicheren, Sadisten und Tyrannen. Die Kunst ist, das zu kennen, sich auf nichts festzulegen und es ggf. hervorholen zu können, wenn es gebraucht wird. Das ist Tantra, das ist die totale Akzeptanz dessen, was ist und das schließt alles ein. Es fixiert nicht in einer Richtung und hatte niemals im Sinn ein Dogma, eine Religion zu werden.

Das o.g. Pärchen ist mittlerweile wieder im Leben angekommen und beide sind sehr dankbar dafür, es voll und ganz genießen zu können.

Mit allen Herausforderungen, die es mit sich bringt und es menschelt wieder bei ihnen. Ihre Sexualität leben sie sehr spielerisch und experimentierfreudig, ihre Spiritualität ist vielfältig und ein sehr elementarer, wichtiger Bestandteil im Alltag und sie fühlen sich wieder als Paar, das zusammengehört. Sie haben ihr bereits gebuchtes nächstes Tantra-Seminar abgesagt und fahren stattdessen zu zweit ganz entspannt in den Urlaub. So haben sie mir ihr Leben jetzt beschrieben, als wir die Tage einen Kaffee zusammen getrunken haben. Was für ein Kompliment! Sie haben mich anfangs gehasst, dass ich auf ihre heilige Kuh losgegangen bin und merken jetzt, wie sehr sie von ihr in eine Ecke gedrückt wurden und ihnen jegliche Freiheit genommen hat. Im Tantra haben sie zweifellos viele Grenzen überwunden und ihren persönlichen Horizont mehr erweitert, als viele sich vorstellen können. Aber sie waren trotzdem noch gefangen und sind wieder an Grenzen gestoßen, die sie auch überwinden wollten. Dazu war es erforderlich, auch eine heilige Kuh zu schlachten – die wir übrigens selbst heiligsprechen. Man kann im Tantra die Freiheit finden, genauso im ZEN, Yoga, Meditieren, Advaita, Schamanismus oder in den unterschiedlichsten Religionen. Aber nur dann, wenn wir es als Lebenseinstellung für uns frei wählen und es nicht zur Sucht oder zum Zwang wird – eben zum Dogma.

Mahalo! Heinz

DIE HEILIGE KUH

des Tantra

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